3.2.02 Neue Perspektiven eröffnen – Nachhaltigkeit in Usbekistan
Die ineffiziente und umweltschädigende Nutzung von Böden und Gewässern stoppen, gleichzeitig die Armut der Menschen lindern: Das sind Ziele eines deutsch-usbekischen Projekts am Aralsee. Der Handlungsbedarf ist hier besonders groß, denn die jahrzehntelang intensiv betriebene Agrarwirtschaft in der Region (Baumwollanbau) hat dazu geführt, dass der Aralsee zunehmend verlandet. Gleichzeitig gilt es, den Landwirten das Wissen zu vermitteln, wie sie mit ökologisch nachhaltigen Bewirtschaftungsweisen ihre Einkommenssituation verbessern können.
Der bisher praktizierte Bewässerungslandbau in Zentralasien verringert die Produktivität der Land- und Wasserressourcen, die Armut der Bevölkerung wächst – ursächlich dafür sind die Ineffizienz und fehlende Nachhaltigkeit der Ressourcennutzung. Dies gilt vor allem für die bewässerten Tiefländer des Aralseebeckens in Usbekistan (etwa 27 Mio. Einwohner): Hier hat die intensiv betriebene Baumwollproduktion schwerwiegende ökologische Folgen für die Böden und Gewässer.
Damit sich diese Abwärtsspirale nicht weiter dreht, müssten die Usbeken stärker marktwirtschaftlich arbeiten dürfen. Denn die Bauern – sie stellen über 70 Prozent der Einwohner – schützen ihre Ressourcen am ehesten dann, wenn sie so höhere Einkommen erzielen können. Doch sie haben ungenügende Erfahrung in der privaten Landwirtschaft, weil sie erst seit kurzem selbständige Unternehmer sind; ihre wirtschaftlichen Spielräume sind noch gering: Sie unterliegen weiterhin einer strengen Kontrolle durch die Zentralregierung und sind an deren Pläne gebunden. Ihnen lediglich zu zeigen, wie nachhaltige Landnutzung funktioniert, ist deshalb nicht ausreichend. Ebenso wichtig ist es, die Entscheidungsstrukturen vor Ort zu verstehen und die Interessen der verschiedenen Entscheidungsträger zu berücksichtigen.
Konzepte für den Bewässerungslandbau
Um die Ressourcennutzung am Aralsee nachhaltig zu verbessern, führt das Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF), ein interdisziplinäres Forschungsinstitut an der Universität Bonn, zusammen mit der UNESCO und der Regierung Usbekistans das Forschungsprojekt „Ökonomische und ökologische Umstrukturierung der Land- und Wassernutzung in der Region Khorezm“ durch (Laufzeit: 2002 bis 2012). Involviert sind ferner Institute aus Deutschland und Usbekistan sowie weiteren Ländern.
Ein Schiffsfriedhof auf bereits verlandetem Boden des Aralsees
- Ein Schiffsfriedhof auf bereits verlandetem Boden des Aralsees
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Die Experten verschiedener Disziplinen (Landnutzung, Agrarwissenschaften, Wasserwirtschaft, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften) entwickeln Konzepte für die ökologisch nachhaltige, ökonomisch effiziente Ressourcennutzung im Aralseebecken. Als Modellregion für das vom BMBF finanzierte Projekt dient die Provinz Khorezm in Usbekistan, sie liegt südlich des Aralsees, am Unterlauf des Amu Darya. Wichtigster lokaler Partner ist die Staatsuniversität Urgench; an ihr wurde für das Vorhaben ein modernes Laborgebäude aufgebaut und ausgestattet.
Ein wichtiger Baustein des Projekts ist, die Verantwortlichen vor Ort dabei zu unterstützen, die Maßnahmen selbst umzusetzen. Die Wissenschaftler interessieren sich deshalb sehr für die lokalen Entscheidungsprozesse, damit sie – unter Einbezug der Entscheidungsträger vor Ort – Vorschläge ausarbeiten können, wie sich Landbau und Wasserwirtschaft besser organisieren lassen. Betriebswirtschaftliche und makroökonomische Untersuchungen im Agrarbereich, die sich über die gesamte Produktionskette erstrecken, sollen Potenziale für eine effizientere Ressourcenbewirtschaftung und verbesserte Wertschöpfung aufzeigen. Gleichzeitig werden neue Techniken der Landnutzung erprobt. Das Vorhaben unterstützt die akademische Ausbildung usbekischer Studenten: So werden viele Studenten zu einem Master-Studiengang in Taschkent entsandt, 22 Doktoranden haben bisher am ZEF in Bonn promoviert (viele von ihnen haben eine Position in Zentralasien gefunden oder übernehmen als Post-Doktoranten im Projekt eine größere Verantwortung für die Wissensvermittlung).
Aufforstung einer degradierten Fläche
- Aufforstung einer degradierten Fläche
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Partizipativer Ansatz
Über den Erfolg technologischer Innovationen entscheidet auch die Partizipation: Bedürfnisse und Erwartungen der Partner sind aufzugreifen, technische und institutionelle Veränderungen sind den lokalen Gegebenheiten anzupassen. Die enge Zusammenarbeit mit den usbekischen Partnern verbessert maßgeblich die Akzeptanz vor Ort. Ebenso wichtig sind regelmäßige Schulungen von Landwirten und Technikern im Wasserbereich, ferner die Entwicklung von geeigneten Organisations- und Kommunikationsinstrumenten. Hier kooperiert das Projekt mit deutschen, usbekischen und internationalen Organisationen für die technische Zusammenarbeit.
Eine wichtige Hilfe sind die im Projekt erstellten interdisziplinären Modelle für die Wasser- und Landnutzung, die ökologische, soziale und wirtschaftliche Aspekte aufgreifen. Sie helfen, das Zusammenspiel der verschiedenen Faktoren und Akteure zu untersuchen, um die Langzeitwirkung von Maßnahmen vorherzusagen. Gleichzeitig sollen Kosten-Nutzen-Rechnungen finanzielle Vorteile einzelner Technologien aufzeigen, die den lokalen Entscheidungsträgern helfen, geeignete Maßnahmen zu treffen.
Vier Projektphasen
Das über zehn Jahre laufende Projekt verläuft in vier Phasen. Die erste Phase galt dem Aufbau der Infrastruktur vor Ort und dem Erstellen der erforderlichen Datenbasis (z. B. digitale Karten), aus bereits existierendem Material sowie eigenen Forschungen.
Ein Bewässerungskanal mit Verteilungsbauwerk
- Ein Bewässerungskanal mit Verteilungsbauwerk
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Aufbauend auf intensiven Felduntersuchungen und Modellentwicklungen wurden in der zweiten Phase Optionen für das künftige Ressourcenmanagement entwickelt. Hier handelt es sich um neue, bodenschonende Anbauverfahren, optimierte Bewässerungsstrategien und -techniken sowie die Einführung alternativer Anbaupflanzen und Baumarten, die sowohl ökologisch vorteilhafter sind als auch das Einkommen der Bauern erhöhen.
Diese Konzepte testeten die Projektteilnehmer in der dritten Phase in enger Zusammenarbeit mit Bauern, Vertretern der Wasserbehörden und den Partnerinstitutionen in der Region Khorezm. Phase 4 (2012) dient der Umsetzung, in der die Wissenschaftler gemeinsam mit usbekischen Partnern ihr Restrukturierungskonzept großflächig weiter ausweiten wollen. Ziel ist es, eine nachhaltige Lösung umzusetzen, die der Region eine ökologisch, ökonomisch und sozial tragfähige Zukunft ermöglicht.
Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF)
Prof. Dr. Paul L. G. Vlek
Dr. John P. A. Lamers
Walter-Flex-Straße 3
53113 Bonn
Tel.: 02 28/73-18 38
Fax: 02 28/73-18 89
E-Mail: jlamers@uni-bonn.de
Internet: www.zef.de/khorezm.O.html
Förderkennzeichen: 0339970A, 0339970C