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Technologie

2.5.04 Wassermanagement an der Wolga – Eine Zukunft für Europas längsten Fluss

Mit 3.500 Kilometern ist sie der längste Fluss Europas: die Wolga. Die massiven Eingriffe haben den Strom wie kaum einen anderen verändert – mit komplexen Folgen für Mensch und Umwelt im Einzugsgebiet. Ein deutsch-russisches Projekt hat nachhaltige Lösungen für die ökonomische und umweltschonende Bewirtschaftung der Wolga und ihrer Zuflüsse entwickelt. Schwerpunkte waren Untersuchungen der Wasserqualität, die Wasserbewirtschaftung sowie die Sicherheit der Bauwerke.

Das Einzugsgebiet der Wolga mit ihren rund 200 Zuflüssen ist das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum der Russischen Föderation, etwa 40 Prozent der Einwohner leben hier. Mit seinen Wasser- und damit Energieressourcen hat der Strom ein enormes wirtschaftliches Potenzial, das Russland seit Jahrzehnten intensiv nutzt: Bereits Mitte der 1930er Jahre entstanden an der Wolga und ihrem größten Nebenfluss Kama elf große Stauwerke (bekannt als „Wolga Kama-Kaskade“), die heute eine Gesamtleistung von elf Gigawatt haben. Doch diese massiven Eingriffe in das Ökosystem führen zu weitreichenden Risiken und Konflikten.

Die ökologischen Risiken zu reduzieren war Ziel des „Wolga-Rhein-Projekts: ein deutsch-russisches Kooperationsprojekt zur Wassergüte- und Wassermengenbewirtschaftung an Wolga und Rhein“ (Laufzeit: 2004 bis 2006). Gefördert vom BMBF und dem russischen Forschungsministerium arbeiteten an dem Projekt das Institut für Wasser und Gewässerentwicklung (IWG), das Engler- Bunte-Institut (EBI), Bereich Wasserchemie und das Institut für Massivbau und Baustofftechnologie (IfMB) vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT), das Institut für Umwelt-Geochemie der Universität Heidelberg und die Abteilung Bodenphysik des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) sowie die Unternehmen Voith Siemens Hydro (Heidenheim), die MC-Bauchemie (Bottrop) und RusHydro (vormals RAO EES), der größte Energieversorger Russlands. Die Institute IWG und EBI des KIT koordinierten das Projekt.

Niederschläge und Abflüsse analysiert

Besonders bedeutsam sind die von den deutschen und russischen Partnern durchgeführten statistischen Analysen und Simulationen des Niederschlag-Abfluss-Geschehens im Wolga-Einzugsgebiet. Wie oft, wie intensiv regnet es hier? Wie wirken sich die Niederschläge auf den natürlichen Abfluss der Wolga aus? Das Verhältnis von Niederschlag und Abfluss hat eine zentrale Bedeutung für das gesamte Flusssystem: Erst wenn es anhand genauer Daten modelliert ist, lassen sich Aussagen etwa zum Stofftransport oder zur Hochwasserlage treffen.

Wasserkraftwerk Nishegorodskaya bei Nishny Novgorod (Quelle: RusHydro)

Wasserkraftwerk Nishegorodskaya bei Nishny Novgorod (Quelle: RusHydro)
Wasserkraftwerk Nishegorodskaya bei Nishny Novgorod (Quelle: RusHydro)
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Um bei Hochwasser die Überflutungsgebiete, Wassertiefen und -abfluss analysieren zu können, entwickelten die Wissenschaftler digitale Geländemodelle von fünf wichtigen Staustufen an der Wolga. Während die russischen Partner die verfügbaren Daten erfassten und aufbereiteten, simulierten ihre deutschen Kollegen die hydraulischen Verhältnisse der Wolga mit sogenannten hydrodynamisch numerischen Modellen. Ferner entwickelten sie das Programm „Entscheidungsunterstützungssystem Wolga“, mit dem sich verschiedene Abflussszenarien analysieren lassen: Es ermöglicht, das Gesamtsystem Wolga einschließlich der bewirtschafteten Stauräume im Computer zu simulieren und die aus energiewirtschaftlicher und ökologischer Sicht jeweils effizienteste Bewirtschaftungsstrategie für jede Staustufe zu ermitteln. Um den verschiedenen Nutzungsansprüchen an eine Stauraumbewirtschaftung zu entsprechen, wurden Grundlagen der Simulation von Staustufenketten unter Einbindung von Automatisierungsfunktionen zur Verbesserung der Bewirtschaftung erarbeitet.

Bauwerke und Wasserqualität untersucht

Zu den Voraussetzungen für eine wirtschaftliche und umweltschonende Wasserbewirtschaftung der Wolga gehören die Funktionsfähigkeit und die Betriebssicherheit der vorhandenen Wasserbauwerke. Am Wasserkraftkomplex Wolgograd untersuchten Wissenschaftler und Ingenieure exemplarisch den Zustand des Bauwerks und der einzelnen Bauteile (Wehrüberläufe, Wehrpfeiler, Betonwände). Die Ergebnisse dieser Vor-Ort-Untersuchungen und Laboranalysen von Bauwerksproben mündeten in ein Instandsetzungskonzept, dessen Umsetzung die Projektpartner fachlich begleitet haben.

Entnahme und Analyse von Proben im Untersuchungsgebiet

Entnahme und Analyse von Proben im Untersuchungsgebiet
Entnahme und Analyse von Proben im Untersuchungsgebiet
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Zwar gab es in der ehemaligen Sowjetunion seit Mitte der 1940er Jahre umfangreiche Programme zur Kontrolle der Wasserqualität, deren Ergebnisse wurden jedoch nicht veröffentlicht. Nach der Auflösung der Sowjetunion kamen diese Programme mangels Material und Personal de facto zum Erliegen. Über den aktuellen Zustand der russischen Gewässer ist somit nur wenig bekannt – obwohl die Wolga und andere Flüsse eine wichtige Trinkwasserquelle sind. Gegenstand des Projekts waren deshalb auch Analysen des Schadstoffgehalts von Wasser und Sedimenten der Wolga. Im Untersuchungsgebiet von Nishny Novgorod war die Gewässergüte überraschend gut, offensichtlich verdünnt die enorme Wasserführung des Flusses eingeleitete Schadstoffe stark und verringert sie durch Selbstreinigungsprozesse.

Längsschnitt der Wolga- und der Kama-Staustufenkette

Längsschnitt der Wolga- und der Kama-Staustufenkette
Längsschnitt der Wolga- und der Kama-Staustufenkette
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Eutrophierte Stauseen und ihre Folgen

Die vorhandenen Nährstoffe führen allerdings vor allem in den Stauseen zu einer kritischen Eutrophierung , bedingt durch die eingeleiteten Phosphorverbindungen aus den Abwässern von Haushalten (z. B. Waschmitteln) beziehungsweise durch Nährstoffeinträge aus der Landwirtschaft. In den Sommermonaten führt die Eutrophierung besonders in den vielen Stauseen zu einem massenhaften Algenwachstum; ein reduzierter Sauerstoffgehalt des Wassers und freigesetzte Toxine sind die Folge. Der relativ hohe Gehalt an organischen Stoffen natürlichen Ursprungs verstärkt diese Effekte. Die Folge: An vielen Stellen entstehen anaerobe Zonen, es kommt zu Fäulnisprozessen. Eines der Ziele des Forschungsprojekts war es deshalb, die Untersuchungsergebnisse nutzbar zu machen, damit die Vorsorge zu verbessern und die Belastungsquellen zu beseitigen – etwa durch eine ökologische Landwirtschaft im Wolga-Einzugsgebiet.

Bereich 1: Wassermengenbewirtschaftung Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Institut für Wasser und Gewässerentwicklung

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Franz Nestmann
Prof. Dr. Rolf Krohmer
Kaiserstraße 12
76128 Karlsruhe
Tel.: 07 21/6 08 21 94
Fax: 07 21/60 60 46
E-Mail: iwg@iwg.uka.de
rolf.krohmer@kit.edu
Internet: www.iwg.uni-karlsruhe.de
Förderkennzeichen: 02WT0484

Bereich 2: Gewässergüte Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Engler-Bunte-Institut und DVGW-Forschungsstelle – Bereich Wasserchemie

Prof. Dr. Fritz H. Frimmel
Dr. Gudrun Abbt-Braun
Engler-Bunte-Ring 1
76128 Karlsruhe
Tel.: 07 21/6 08 25 80
Fax: 07 21/69 91 54
E-Mail: fritz.frimmel@kit.edu
Internet: www.wasserchemie.uni-karlsruhe.de
Förderkennzeichen: 02WT0480
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