2.4.02 Angepasste Langsamfiltration – Vielseitig und kostengünstig
Die Langsamfiltration ist ein naturnahes, einfaches und kostengünstiges Verfahren, um Trinkwasser aufzubereiten; in Deutschland wird sie meist mit anderen Verfahren kombiniert. Sie lässt sich auch mit alternativen, lokal verfügbaren Filtermaterialien betreiben. Mehrere Forschungsprojekte haben untersucht, ob und wie sich die Langsamfiltration technisch noch verbessern und an Standortbedingungen außerhalb Mitteleuropas anpassen lässt.
Die Langsamfiltration hat sich als Verfahren zur biologischen Trinkwasseraufbereitung etabliert. In der Regel bestehen die Anlagen aus einem Infiltrationsbecken, das mit verschiedenen Filter- und Stützschichten befüllt ist. Auf eine Drainage- und Stützschicht aus Steinen, Kies und grobem Sand folgt eine etwa einen Meter hohe Filterschicht. Als Filtermaterial wird in Mitteleuropa vor allem Sand verwendet (Langsamsandfiltration); je länger das Wasser im Sandfilter verbleibt, desto besser ist in der Regel dessen Reinigung.
Gleichförmiger und gut gereinigter Filtersand ist jedoch nicht überall verfügbar. Für eine weitere Verbreitung des Verfahrens (insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern) ist deshalb die Anpassung an lokale Gegebenheiten entscheidend – etwa durch den Einsatz am Ort verfügbarer und kostengünstiger Filtermaterialien. Wie sich dies erreichen lässt, untersuchten das Rheinisch-Westfälische Institut für Wasserforschung (IWW), Mülheim an der Ruhr (Gesamtkoordination der Vorhaben „Langsamsandfiltration“) und das Institut für Wasserforschung (IfW) in Schwerte (Laufzeit: 2002 bis 2005).
Alternativen zu Sand untersucht
Exemplarisch analysierten die Wissenschaftler die Reinigungsleistung von Recycling-Glasgranulat und Kokosfasern im Vergleich zu Sand – bei wechselnden Temperaturen, Filtergeschwindigkeiten und Betriebsweisen. Ein weiteres Teilprojekt war der Frage gewidmet, ob sich die Wirksamkeit der Langsamfiltration verbessert, wenn die Sandfilterschicht durch zusätzliche Auflagen aus Kies, Bims oder Kokosfasern ergänzt wird.
Extreme Schadstoffkonzentrationen simuliert
Rechts: Säulenversuchsanlage in einer Klimakammer / Links: Recycling-Glasgranulat
- Rechts: Säulenversuchsanlage in einer Klimakammer / Links: Recycling-Glasgranulat
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Die Untersuchungen fanden im Labor und in halbtechnischen Versuchsanlagen statt. Um die Wirksamkeit bei extremen Schadstoffkonzentrationen im Ausgangswasser zu ergründen, verwendeten die Forscher für ihre Tests zum einen künstlich verunreinigtes Oberflächenwasser mit erhöhtem DOC- und Ammoniumgehalt . Zum anderen setzten sie den Ablauf einer Kläranlage als Rohwasser in den Versuchsanlagen ein, um zu erfahren, ob sich die Langsamfiltration auch zur Aufbereitung von Wasser aus Flüssen eignet, die zwar stark durch Abwassereinleitungen beeinflusst sind, aber noch über eine gewisse Selbstreinigungskraft verfügen.
Forschungsgegenstand war darüber hinaus die Charakterisierung der mikrobiellen Besiedlung in Langsamsandfiltern. Das Technologiezentrum Wasser (TZW) der Deutschen Vereinigung des Gas- und Wasserfachs (DVGW) entwickelte ein Modul zur praxisnahen mathematischen Simulation der Langsamsandfiltration unter Berücksichtigung unterschiedlicher Umgebungsbedingungen, um das Betriebsverhalten optimieren zu können.
Schließlich ging es in den Projekten „Grenzen der Langsamsandfiltration, Möglichkeiten der technischen Modifikation und Anpassung an lokale Gegebenheiten“ und „Optimierung des Einsatzes von Langsamsandfiltern durch spezielle Auflageschichten und Betriebsweisen“ darum, bereits vorhandene Daten über die Langsamfiltration mit den aktuellen Ergebnissen in einem Leitfaden für die Planung und den Betrieb von Langsamfiltrationsanlagen zusammenzuführen (Kühn, W.; Müller, U. (Hrsg.): Exportorientierte F&E auf dem Gebiet der Wasserver- und -entsorgung Teil I: Trinkwasser. Band 2; Karlsruhe; unter www.tzw.de).
Altglasgranulat und Kokosfasern sind Alternativen
Die durchgeführten Untersuchungen haben gezeigt, dass sich sowohl Recycling-Glasgranulat als auch Kokosfasern als Alternative zu Sand in der Langsamfiltration anbieten.
Schematischer Aufbau der Langsamsandfiltration (Schnitt) nach DIN 19605 aus dem DVGW-Arbeitsblatt W213-4
- Schematischer Aufbau der Langsamsandfiltration (Schnitt) nach DIN 19605 aus dem DVGW-Arbeitsblatt W213-4
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Deren alleinige Reinigungsleistung reichte allerdings unter den Versuchsbedingungen nicht bei allen Betriebsvarianten aus, um direkt Trinkwasser zu gewinnen. So traten in den Versuchen spezifische Stärken und Schwächen der jeweiligen Filtermaterialien auf, die in der Praxis zu berücksichtigen und gegebenenfalls durch technische Modifikationen auszugleichen sind (z. B. Vorabscheidung oder Belüftung).
Für die Aufbereitungsleistung der Langsamfiltration spielt die Temperatur eine wichtige Rolle: Temperaturen unter zehn Grad Celsius verlangsamen erheblich die biologische Abbauvorgänge, teilweise kommen sie fast zum Erliegen. Bei hohen Temperaturen und einer hohen Konzentration biologisch abbaubarer Stoffe erfolgt durch biologische Abbauprozesse eine starke Sauerstoffzehrung. Säulenversuche in einem klimatisierten Raum zeigten, dass sich unter den gewählten Betriebsbedingungen (Filterschichtmächtigkeit, Betriebsweise, Filtergeschwindigkeit etc.) bei fünf bis zehn Grad Celsius das eingesetzte Rohwasser (hoher DOC- und Ammoniumgehalt) durch kein Filtermaterial so aufbereiten ließ, dass es bei den untersuchten chemischen Parametern den Trinkwasservorschriften der Weltgesundheitsorganisation (WHO) entsprach. Bei 20 Grad Celsius überschritt nur das mit Recycling-Glasgranulat aufbereitete Filtrat die Grenzwerte, während bei 30 Grad alle Filtrate die WHO-Richtwerte erfüllten. Das mit Sand filtrierte Wasser erreichte bei diesen Versuchen sogar die Vorgaben der strengeren deutschen Trinkwasserverordnung.
Schützende Auflageschicht
Die Versuche haben gezeigt, dass eine 20 Zentimeter dicke Auflageschicht aus Kies, Bimsstein oder Kokosfasern die Filterlaufzeit deutlich erhöht. Ferner wurde ein Großteil der im Wasser enthaltenen Partikel bereits in dieser Schicht zurückgehalten, das schützt die unter ihr liegende Sandfilterschicht, deren Oberfläche weniger „verklebt“. Handelt es sich bei den herausgefilterten Partikeln um organische statt mineralische Stoffe, werden sie bereits in der Auflageschicht biologisch abgebaut. Der Nachteil: Der verbrauchte Sauerstoff fehlt weiter unten, was sich – ohne zusätzliche Belüftung – negativ auf weitere aerobe Abbauvorgänge , zum Beispiel die Ammoniumoxidation, auswirkt.
Wie wirksam Langsamsandfilter schwer abbaubare organische Spurenstoffe zurückhalten, testeten die Wissenschaftler in einer eigenen Versuchsanlage, die mit einer Aktivkohleschicht unterhalb der Sandschicht ausgestattet war. Das Ergebnis: Mit dem lageweisen Einbau von sorptiven Materialien wie Aktivkohle lassen sich organische Spurenstoffe aus Pflanzenschutz- und Arzneimitteln effektiv zurückhalten. Weil diese „Sandwich“-Bauweise hohe Bau- und Wartungskosten verursacht, bietet sich eine großtechnische Anwendung aber bislang nicht an. Erreicht die Langsamfiltration allein nicht die gewünschte Wasserqualität, ist es deshalb sinnvoller, das Verfahren in ein dem Standort angepasstes System aus geeigneten Vorund Nachbereitungstechniken zu integrieren.
Dr.-Ing. Hans-Joachim Mälzer
Moritzstraße 26
45476 Mülheim an der Ruhr
Tel.: 02 08/4 03 03-3 20
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E-Mail: a.maelzer@iww-online.de
Internet: www.iww-online.de
Förderkennzeichen: 02WT0282
Institut für Wasserforschung GmbH Dortmund (IfW)
Frank Remmler
Zum Kellerbach 46
58239 Schwerte
Tel.: 0 23 04/95 75-3 53
Fax: 0 23 04/95 75-2 20
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Förderkennzeichen: 02WT0279