2.4.01 Natürlicher Wasserfilter – Die Uferfiltration
Die Uferfiltration ist in Deutschland ein etabliertes, kostengünstiges Verfahren zur Trinkwasseraufbereitung: Wasserwerke nutzen die natürliche Reinigungskraft des Bodens, um ohne Einsatz von Energie und Chemikalien die Qualität des Rohwassers zu verbessern. Mit dem Ziel, Planungs- und Betriebsleitfäden für den weltweiten Einsatz dieses Verfahrens zu erstellen, untersuchte ein Forschungsprojekt die Fähigkeit der Uferfiltration, unter wechselnden Standortbedingungen organische Schadstoffe zu beseitigen oder zumindest zu reduzieren.
Bedingt durch die Abwassereinleitungen aus Industrie, Haushalten und Landwirtschaft weisen Oberflächengewässer in industrialisierten und urbanen Gebieten oft viele organische Spurenstoffe beziehungsweise deren Abbauprodukte auf: Pflanzenschutzmittel, Mineralöle und Chemikalien mit hormoneller Wirkung oder pharmazeutische Wirkstoffe sind im Wasser nachweisbar. Diese Stoffe sind wirksam zu beseitigen, wenn das Oberflächenwasser eine Trinkwasserquelle ist.
Bei der Uferfiltration werden in unmittelbarer Nähe des für die Trinkwasserversorgung benötigten Flusses Brunnen errichtet, der Grundwasserspiegel wird künstlich gesenkt. Dadurch entsteht ein hydraulisches Gefälle zwischen Flussbett und Brunnen, das Oberflächenwasser sickert über die Sohle oder das Ufer in den Untergrund: Schmutz- und Schadstoffe werden durch natürliche physikalische, chemische und biologische Prozesse herausgefiltert und abgebaut. Abhängig von den geologischen Verhältnissen, dem Abstand zwischen Brunnen und Ufer sowie dem Pegelstand des Flusses kann dies nur wenige Tage oder auch ein halbes Jahr dauern.
Wechselnde Standortbedingungen
Funktionsweise einer Uferfiltratanlage
- Funktionsweise einer Uferfiltratanlage
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Doch inwieweit ist diese Uferfiltration geeignet, organische Verbindungen zu beseitigen, wenn diese höchst unterschiedliche chemisch physikalische Eigenschaften haben? Diese Frage untersuchten Wissenschaftler im Projekt „Ermittlung der potenziellen Reinigungsleistung der Uferfiltration/ Untergrundpassage hinsichtlich der Eliminierung organischer Schadstoffe unter standortspezifischen Randbedingungen“ (Laufzeit: 2001 bis 2005). Ferner wollten sie herausfinden, welche Voraussetzungen ein Standort erfüllen muss, damit die Uferfiltration erfolgreich ist. Denn neben dem Schadstoffspektrum und der jeweiligen Konzentration im Wasser spielen die hydrogeologischen Bedingungen eine große Rolle – vor allem die Zusammensetzung, Durchlässigkeit und Sorptionsfähigkeit des Bodens, ferner klimatische Faktoren wie die Wassertemperatur. Weitere Aspekte der Uferfiltration untersuchten das Institut für Wasserforschung, Dortmund (Gesamtkoordination der Vorhaben „Uferfiltration“), das Forschungszentrum Karlsruhe sowie die TU Berlin, TU Dresden und TU Hamburg-Harburg (Leitfaden: Kühn, W.; Müller, U. (Editor) (2006): Exportorientierte F&E auf dem Gebiet der Wasserver- und -entsorgung Teil I: Trinkwasser. Band 2. Leitfaden. Technologiezentrum Wasser, Karlsruhe, ISBN 3-00-015478-7).
Um Planungs- und Betriebsleitfäden für den Einsatz der Uferfiltration in anderen Klimazonen zu erstellen, trugen die Projektpartner vorliegende Forschungsergebnisse und Erfahrungswerte aus Deutschland und anderen Ländern zusammen und werteten sie aus. Informationslücken – zum Beispiel in Bezug auf extremere klimatische Verhältnisse – füllten sie mit den Ergebnissen praxisnaher Feld- und Laboruntersuchungen.
Deutlich verbesserte Wasserqualität
Die im Projekt durchgeführten Untersuchungen ergaben, dass die Uferfiltration die meisten (rund 80 Prozent) der im Oberflächenwasser festgestellten organischen Spurenstoffe beseitigen kann; bei den übrigen Stoffen ließ sich in der Regel zumindest eine Konzentrationsminderung beobachten. Dennoch ist das Verhalten neuartiger Substanzen bei der Uferfiltration nicht hundertprozentig vorhersehbar, da chemisch ähnliche Stoffe zuweilen sehr unterschiedlich reagieren. Das Projekt bestätigte, dass die Beseitigung organischer Verbindungen auf Sorptionsprozesse sowie biologische und chemische Abbauvorgänge im Untergrund zurückzuführen ist. Dabei erfolgt der größte Teil der Schadstoffreduktion bereits in der sogenannten Infiltrationszone, unmittelbar nach dem Eintritt des Wassers in den Boden. Daraus lässt sich schließen, dass die Entfernung der Brunnen vom Gewässer (20 bis 400 Meter) für die Reinigungsleistung nicht maßgebend ist. Trotzdem ist die weitere Fließstrecke beziehungsweise die Aufenthaltszeit des Wassers im Untergrund wichtig, wenn es gilt, die Leistung optimal auszuschöpfen. So beobachtete das Projektteam für viele Substanzen bei längerer Aufenthaltszeit im Untergrund eine deutlich höhere Elimination.
Sauerstoffversorgung entscheidend
Welche Spurenstoffe in welchem Umfang abgebaut werden, hängt entscheidend von dem im Boden herrschenden Redoxmilieu ab, oder anders gesagt, von der Sauerstoffversorgung der Mikroorganismen. Beispielsweise werden bestimmte Spurenstoffe besser im aeroben , andere nur im anaeroben Milieu beseitigt. Als Uferfiltratsstrecken sind deshalb solche Standorte vorteilhaft, bei denen das Wasser sowohl in aeroben als auch anaeroben Bodenzonen ausreichend lange verweilen kann.
Ein Brunnen der Vertikalbrunnengalerie in Düsseldorf
- Ein Brunnen der Vertikalbrunnengalerie in Düsseldorf
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Unabhängig von den Redoxverhältnissen ist die Uferfiltration geeignet, organische Spurenstoffe wie polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, polychlorierte Biphenyle (PCB) und viele Insektizide zu entfernen. Aber auch Geruchs und Geschmacksstoffe sowie hormonell wirksame Substanzen werden größtenteils abgebaut. Wichtig für die Uferfiltration in wärmeren Klimazonen: Steigende Temperaturen führen zu einer erhöhten Stoffwechselintensität und somit meist zu einer höheren Umsatzrate.
Dr. Frank Thomas Lange
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