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Ökologie

1.4.05 Deichbrüche vermeiden – Beobachtungsmethoden und Sicherungskonzepte für Flussdeiche

Während der Hochwasserereignisse der letzten Jahre kam es immer wieder zu Deichbrüchen, weil die zum Teil historisch gewachsenen Schutzdeiche den hydraulischen Belastungen nicht standhielten. Eine grundlegende Sanierung aller betroffenen Deichstrecken kann aus Kostengründen allenfalls langfristig erfolgen. Vor diesem Hintergrund entwickelten Wissenschaftler in zwei vom BMBF geförderten Forschungsprojekten einerseits ein Monitoringsystem, das kritische Deichzustände sicher anzeigen soll. Außerdem erarbeiteten sie ein Verfahren, das gefährdete Deiche mithilfe von Dränelementen stabilisiert. Modellversuche bestätigten seine Wirksamkeit.

Ein dem Stand der Technik entsprechender Drei-Zonen-Deich besteht aus einer wasserseitig angeordneten Oberflächendichtung und einem Stützkörper in der Mitte des Querschnitts. Ein landseitiger Dränkörper sorgt dafür, dass Sickerwasser im Deich gefasst und schadlos abgeleitet wird. Entlang von Flüssen und Strömen in Deutschland gibt es aber – wie in anderen Teilen Europas auch – hunderte Kilometer alter Deiche, die nicht diesen heutigen Sicherheitsstandards entsprechen. Sie wurden früher, meist nach Hochwasserereignissen, mit vor Ort zur Verfügung stehenden Materialien aufgeschüttet. Mangels Dichtungsschicht dringt bei einem Hochwasserereignis Wasser in solche Deichkörper ein, und es kommt zu einer fortschreitenden Durchfeuchtung, die im schlimmsten Fall zum Bruch des Deichs führen kann.

Deich-Monitoring mittels Time Domain Reflectometry

Die zeitliche Entwicklung der Durchfeuchtung spielt für die Stabilität beziehungsweise die Standsicherheit eine zentrale Rolle, insbesondere bei den oben genannten Altdeichen. Um hierüber verlässliche Informationen zu erhalten, ist ein Monitoringsystem erforderlich, das entlang einer Deichstrecke Daten über die aktuelle hydraulische Situation des Deichkörpers liefert. Die sogenannte Time Domain Reflectometry (TDR) hat sich in Verbindung mit Kabelsensoren als ein geeignetes Messverfahren hierfür erwiesen. Hierzu werden Flachbandkabel als Sensoren in den Deichkörper eingebracht. Anhand eines am Sensoranfang eingespeisten und am Sensorende reflektierten Spannungsimpulses lässt sich die Feuchteverteilung entlang der Kabelsensoren bestimmen. Auf diese Weise kann die Sickerlinie (Grenze zwischen feuchtem und trockenem Material) und damit der durchfeuchtete Bereich hinreichend genau bestimmt werden. Der Vorteil des Verfahrens ist, dass Eingriffe am Deichkörper nur an neuralgischen Punkten erforderlich sind.

Wissenschaftler der Materialforschungs- und -prüfanstalt (MFPA) der Bauhaus-Universität Weimar sowie des Instituts für Bodenmechanik und Felsmechanik (IBF) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) entwickelten im Rahmen des Projekts „Bewertung und Prognose der Standsicherheit von Hochwasserschutzdeichen mittels Time Domain Reflectometry“ ein auf der TDR-Methode basierendes Monitoringsystem speziell für Hochwasserschutzdeiche.

Kern des Monitoringsystems ist ein Prognosemodell, das auf Basis der gemessenen Feuchteverteilungen innerhalb eines Deiches, des prognostizierten Hochwasserverlaufs und der vorhergesagten Niederschläge den weiteren Verlauf der Deichdurchfeuchtung vorhersagt. Sowohl für die gemessene Feuchteverteilung während eines Hochwassers als auch für die vorhergesagten Feuchtebedingungen wurde ein Bewertungsmodul entwickelt, das eine Standsicherheitsanalyse der luftseitigen Böschung des eingestauten Deiches erlaubt. Das entwickelte Monitoringsystem ist in der Lage, autark mit eigenständiger Stromversorgung Messungen durchzuführen und mittels Datenfernübertragung an einen zentralen Server zu senden. Die analysierten und vorhergesagten Feuchteverteilungen werden zusammen mit der Standsicherheitsbewertung für einen Online-Zugriff bereitgestellt. Den für das Hochwassermanagement verantwortlichen Stellen könnte somit ein effektives Hilfsmittel an die Hand gegeben werden, um bei Gefahr kurzfristig Sicherungsmaßnahmen oder Evakuierungen zu veranlassen. Eine Überführung des Monitoringsystems in ein voll automatisiertes Beobachtungswerkzeug war im Rahmen der Förderperiode dieses Projekts nicht möglich.

Stabilisierung von Deichen mit Dränelementen

Mit marktüblicher Bohrtechnik sollen die linienförmigen Dränelemente in den Modelldeich eingebracht werden (Durchführung: Morath GmbH, Albbruck)

Mit marktüblicher Bohrtechnik sollen die linienförmigen Dränelemente in den Modelldeich eingebracht werden (Durchführung: Morath GmbH, Albbruck)
Mit marktüblicher Bohrtechnik sollen die linienförmigen Dränelemente in den Modelldeich eingebracht werden (Durchführung: Morath GmbH, Albbruck)
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Am Modelldeich im natürlichen Maßstab (Höhe: 3 m) wird die technische Machbarkeit des Stabilisierungsverfahrens (Ansicht Landseite) nachgewiesen

Am Modelldeich im natürlichen Maßstab (Höhe: 3 m) wird die technische Machbarkeit des Stabilisierungsverfahrens (Ansicht Landseite) nachgewiesen
Am Modelldeich im natürlichen Maßstab (Höhe: 3 m) wird die technische Machbarkeit des Stabilisierungsverfahrens (Ansicht Landseite) nachgewiesen
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Bruchgefährdete Deichabschnitte müssen bei Hochwasser im unteren Bereich der landseitigen Böschung stabilisiert werden, was mit einem erheblichen Einsatz an Arbeitskräften und Material (z. B. Sandsäcken) verbunden ist. Die Böschungsoberfläche auf der Flussseite mit Folien oder anderen Materialien abzudichten, ist hingegen nur dann sinnvoll, wenn Schwachstellen zu einer konzentrierten Durchströmung führen. Ansonsten kann mit derlei Maßnahmen die Höhe der Sickerlinie nicht nennenswert abgesenkt werden. Wenn sich das Eindringen von Wasser in die Deiche nicht verhindern lässt, kommt es somit entscheidend darauf an, das Sickerwasser im Deichkörper zu fassen und schadlos abzuleiten. Andernfalls kann es an der landseitigen Böschung austreten; erhöhte Strömungskräfte führen dann möglicherweise zu einem Deichbruch.

Hiermit befasst sich das zweite BMBF-Projekt „Stabilisierung bruchgefährdeter Flussdeiche mit Dränelementen zur Sickerwasserfassung und Bewehrung“, an dem das Institut für Bodenmechanik und Felsmechanik des Karlsruher Instituts für Technologie, das Fachgebiet Geotechnik der Universität Kassel sowie das Sächsische Textilforschungsinstitut (STFI) in Chemnitz beteiligt waren. In dem Forschungsvorhaben wurde ein Konzept zur Sicherung von eingestauten Deichen im Falle eines Hochwassers entwickelt. Eine derartige Notsicherungsmaßnahme kann letztlich auch zur kurz- beziehungsweise mittelfristigen Ertüchtigung von Altdeichen verwendet werden können.

Wirksamkeit des Verfahrens belegt

Konkret sieht die Notsicherungsmaßnahme vor, in bruchgefährdete durchweichte Deiche maschinell Dränelemente einzubringen, die den Sickerwasserandrang zum Deichfuß abfangen. Der Einbau soll weitestgehend mit Standardgeräten zum Beispiel aus der Bauwirtschaft möglich sein, die vielerorts schnell verfügbar sind. Die Praktikabilität des Verfahrens und die zum Einbau erforderlichen Hilfsmittel wurden an Modelldeichen im natürlichen Maßstab mit einem marktüblichen Bohrgerät getestet. Die praxisnahen Versuche bestätigten die Leistungsfähigkeit des Stabilisierungsverfahrens. Für seine Akzeptanz in der Baupraxis wäre darüber hinaus eine Erprobung an einer realen Deichstrecke von großer Bedeutung. Diese konnte jedoch im Rahmen des Forschungsprojektes nicht mehr durchgeführt werden.

Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Institut für Bodenmechanik und Felsmechanik

Dr.-Ing. Andreas Bieberstein
Engler-Bunte-Ring 14
76131 Karlsruhe
Tel.: 07 21/6 08-22 23
Fax: 07 21/69 60 96
E-Mail: andreas.bieberstein@kit.edu
Internet: www.ibf.uni-karlsruhe.de
Förderkennzeichen: 02WH0479 bzw. 02WH0585
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