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Ökologie

1.4.01 Folgen einer Jahrhundertflut – Schadstoffbelastung nach dem Elbehochwasser

Kommt es bei extremen Hochwasserereignissen zur Mobilisierung von Schadstoffen wie im Einzugsgebiet der Elbe, werden große Mengen schadstoffhaltiger Schlämme und Abwässer in den Überflutungsgebieten verteilt – auch in Wohngebieten und auf landwirtschaftlichen Nutzflächen. Ein Team von Wissenschaftlern hat die Schadstoffbelastung untersucht und die davon ausgehenden Gefahren bewertet. Ergebnis: Die Schadstoffgehalte der Böden waren nach dem Hochwasser in der Regel nicht größer als zuvor. Dennoch empfehlen die Experten für die Zukunft ein umfassendes Wasser- und Risikomanagement.

Starke Regenfälle hatten im August 2002 an der Elbe und ihren Nebenflüssen zu Extremhochwasser und starken Verunreinigungen im Überflutungsbereich geführt. Die Fluten setzten Schadstoffe aus Altlasten frei, schwemmten belastete Flusssedimente auf und trugen verunreinigten Boden sowie Abraum von Industrieflächen und Bergbauhalden mit sich. Aus Tanks von Privathaushalten lief Öl aus und kommunale sowie industrielle Abwässer aus überschwemmten Kläranlagen verunreinigten die Flüsse. Das Wasser überflutete Wohnanlagen, Gärten und landwirtschaftliche Nutzflächen. Dort sanken die Feststoffe ab und bildeten eine Schlammschicht, die mit Schwermetallen, organischen Schadstoffen sowie krankheitserregenden Keimen belastet war. Daher galt es, die gesundheitlichen Risiken möglichst kurzfristig zu klären.

Zahlreiche Forschungsinstitutionen und Behörden untersuchten zunächst unabhängig voneinander die Auswirkungen der Flut auf die Schadstoffbelastung der Gewässer und überfluteten Bereiche. Um die Messungen miteinander zu verknüpfen und die Gesamtsituation zu bewerten, initiierte das BMBF das Verbundprojekt „Schadstoffuntersuchungen nach dem Hochwasser 2002 – Ermittlung der Gefährdungspotenziale an Elbe und Mulde“. 28 Partner untersuchten unter Federführung des Umweltforschungszentrums Leipzig-Halle die Flussgebiete der Mulde sowie der Elbe von Tschechien bis Hamburg.

Chronische Belastung der Flusssedimente

Die Herkunft der zahlreichen Schadstoffe in der Elbe ist vielfältig. Elemente wie Arsen oder Schwermetalle kommen im gesamten Einzugsgebiet natürlich vor und wurden schon immer aus den angrenzenden Mittelgebirgsregionen abgetragen. Sie werden entsprechend der Flussdynamik abgelagert oder weitertransportiert und verursachen die sogenannte geogene Hintergrundbelastung im Gewässer. Hinzu kommen Schadstoffeinträge aus Bergbau und anderen industriellen Aktivitäten in der Region.

Durch die Elbeflut herausgerissener Öltank (Quelle: Thomas Egli)

Durch die Elbeflut herausgerissener Öltank (Quelle: Thomas Egli)
Durch die Elbeflut herausgerissener Öltank (Quelle: Thomas Egli)
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Kaum Veränderungen durch das Hochwasser

Die teils erhebliche Konzentration von Schwermetallen und organischen Schadstoffen, die die Flüsse während der Flut aufwiesen, ging den Untersuchungen zufolge mit Ablaufen des Hochwassers zügig zurück. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, hat die Flut die Schadstoffgehalte in Auenböden und Sedimenten nicht wesentlich erhöht. Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die regelmäßig überfluteten Deichvorlandbereiche unterhalb der Einmündung von Mulde und Saale hoch belastet sind. Da die Richtwerte für eine Nutzung als Weideland bezüglich Dioxin und Quecksilber in vielen Proben weit überschritten waren, empfehlen Experten ein konsequentes Nutzungsmanagement. So sollten die besonders hoch belasteten Senken und Wasserlöcher nicht genutzt und mit der Beweidung erst nach reinigenden Niederschlägen begonnen werden.

Sedimentablagerungen nach dem Elbhochwasser 2002 (Quelle: Dagmar Haase)

Sedimentablagerungen nach dem Elbhochwasser 2002 (Quelle: Dagmar Haase)
Sedimentablagerungen nach dem Elbhochwasser 2002 (Quelle: Dagmar Haase)
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Von der Extremflut 2002 waren auch normalerweise von Deichen geschützte Ortschaften betroffen. Für die Gesundheit der Bevölkerung bestand nach Meinung der Forscher jedoch keine akute Gefahr. Nur vereinzelt ergaben die Analysen erhöhte Schadstoffkonzentrationen. Allerdings zeigte sich bei den Messungen, dass die Grundbelastung des untersuchten Gebiets bereits vor dem Hochwasser recht hoch war (siehe Abschlussbericht des UFZ: Schadstoffbelastung nach dem Elbe-Hochwasser 2002 unter www.ufz.de/data/HWBroschuere2637.pdf).

Risikomanagement einführen

Hochwasser und die damit verbundenen Gefahren werden immer wieder auftreten. Allerdings lässt sich das Ausmaß der Ereignisse und der Schäden vermindern. So regen die Forscher an, wesentlich konsequenter als bisher vorsorgende Wasserbewirtschaftung und Landnutzung zu betreiben und zersplitterte Zuständigkeiten für Hochwasserfragen zusammenzuführen. Ziel sollte eine integrative und interdisziplinäre Wasserbewirtschaftung im Flussgebietsmaßstab sein, die auch ein Hochwasserrisikomanagement umfasst. Ein integriertes Schadstoffmanagement – insbesondere für Mulde und Saale – sehen die Forscher als mögliche Grundlage für eine langfristige Sanierung der Region Mitteldeutschland.

Ein erster Schritt in diese Richtung ist ein neu entwickeltes Schadstoffausbreitungsmodell. Durch die erstmalige Kopplung eines hydraulischen Modells mit einem Gelände- sowie einem Schadstoffausbreitungsmodell konnten Szenarien für mäßige bis extreme Hochwasserereignisse ermittelt und in einem Entscheidungshilfesystem zusammengeführt werden. Der Landkreis Anhalt Bitterfeld nutzt das System bereits. Es wird außerdem für aktuelle Hochwasserübungen und bei Neuansiedlungen zur Abschätzung des Risikos von Schadstoffeinträgen bei Hochwasserereignissen eingesetzt.

Um bei zukünftigen Hochwassern die Gefahr durch Giftstoffe und gesundheitsgefährdende Keime zu verringern, raten die Experten außerdem dazu, Handlungsanweisungen für den Umgang mit Flutsedimenten auszuarbeiten, Schadstoffquellen wie private Öltanks und Heizungen oder gewerbliche Chemikalienlager hochwassersicher zu installieren und Maßnahmen für einen besseren Schutz von industriellen Anlagen, Kläranlagen und ähnlichen Einrichtungen zu erarbeiten. Die Wissenschaftler empfehlen weiterhin, Forschungsergebnisse über ein datenbankgestütztes „Decision Support System“ (DSS) zusammenzuführen, damit bei zukünftigen Entscheidungen die benötigten Informationen bereitstehen.

Hinterlassenschaften des jahrhundertelangen Bergbaus: Schlackenhalden in Muldenhütten bei Freiberg. Während des Hochwassers 2002 wurden hier rund 9.000 Tonnen hochgradig blei- und arsenbelastetes Material erodiert (Quelle: Günther Rank)

Hinterlassenschaften des jahrhundertelangen Bergbaus: Schlackenhalden in Muldenhütten bei Freiberg. Während des Hochwassers 2002 wurden hier rund 9.000 Tonnen hochgradig blei- und arsenbelastetes Material erodiert (Quelle: Günther Rank)
Hinterlassenschaften des jahrhundertelangen Bergbaus: Schlackenhalden in Muldenhütten bei Freiberg. Während des Hochwassers 2002 wurden hier rund 9.000 Tonnen hochgradig blei- und arsenbelastetes Material erodiert (Quelle: Günther Rank)
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Stärker als bisher sollten außerdem Überschwemmungsgebiete vorsorglich von Bauten und ungeeigneter Nutzung freigehalten werden (Flächenvorsorge). Der Erosion von belasteten Böden in Flussauen kann durch Stilllegung von Ackerflächen und Begrünung begegnet werden. Freigehaltene Flächen dienen zudem als natürliche Retentionsflächen ; Schäden an Gebäuden entstehen auf diese Weise erst gar nicht.

In einem zweiten vom BMBF geförderten Projekt, „Minderung von Hochwasserrisiken durch nicht-strukturelle Landnutzungsmaßnahmen in Abflussbildungs- und Überschwemmungsgebieten“ (MinHorLam), untersuchten Wissenschaftler den Einfluss von nicht-strukturellen Landnutzungsmaßnahmen auf Hochwasserrisiken. Thema waren hier unter anderem die Risikopotenziale für Produzenten und Verbraucher, wenn Schadstoffeinträge Pflanzenbestände und Böden auf land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen kontaminieren. Sie erarbeiteten schadensreduzierende Maßnahmen wie Landumnutzungen, Anbau von speziellen Pflanzensorten, die Schadstoffe nur in geringem Maße akkumulieren oder Ausgleichszahlungen für Flächenstilllegungen. Die gewonnenen Erkenntnisse werden der Bevölkerung über eine Internetplattform zugänglich gemacht.

UFZ-Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle GmbH
Departement Fließgewässerökologie

Dr. Wolf von Tümpling, Prof. Walter Geller
Brückstraße 3a
39114 Magdeburg
Tel.: 03 91/8 10-93 00
Fax: 03 91/8 10-91 11
E-Mail: wolf.vontuempling@ufz.de, hochwasser@ufz.de
Internet: www.ufz.de/hochwasser
Förderkennzeichen: 0330492
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