Startseite | Inhaltsverzeichnis | Impressum | Datenschutz | English
Ökologie

1.3.01 Wassermangel im Jordantal – Grenzüberschreitende Lösungen finden

Noch vor fünfzig Jahren führte der Jordan reichlich Wasser. Heute ist der Unterlauf des Flusses nur noch ein unbedeutendes Rinnsal und der Wasserspiegel des Toten Meers sinkt jährlich um einen Meter. Ableitungen für die israelische Küstenebene und das Hochland um die jordanische Hauptstadt Amman haben die Wasservorräte drastisch dezimiert. Eine wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Jordantals ist so kaum mehr möglich – zumal die Bevölkerung gleichzeitig stark wächst. Ein grenzüberschreitendes Managementkonzept könnte helfen, die vorhandenen Ressourcen effizienter zu nutzen. Ein internationales Team von Wissenschaftlern erfasst nun auch bisher ungenutzte Wasservorräte. Es entwickelt Technologien zur Reinigung und Speicherung und sorgt für den Aufbau von Infrastrukturen und Knowhow in den betroffenen Regionen.

Bezugnehmend auf die Millenniumsziele und die UN-Dekade „Water for Life“ unterstützt das BMBF das internationale Forschungsprojekt „Sustainable Management of Available Water Resources with Innovative Technologies“ (SMART) im Einzugsgebiet des unteren Jordan. Es wird unter der wissenschaftlichen Leitung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) gemeinsam mit deutschen, israelischen, palästinensischen und jordanischen Partnern durchgeführt.

Wasservorräte beurteilen und managen

Zentrales Anliegen des Projekts ist es, alle Wasservorkommen im Untersuchungsraum – einschließlich Grundwasser, Abwasser, stark salzhaltige Wässer und Flutwässer – umfassend zu beurteilen und in ein grenzüberschreitendes integriertes Managementsystem einzubeziehen. Dafür müssen die Wissenschaftler alle Ressourcen, die bisher aus qualitativen Gründen oder aufgrund fehlender Speichermöglichkeiten für eine Nutzung nicht in Frage kamen, erkunden und bewerten. Abhängig von der weiteren Verwendung und den lokalen Gegebenheiten sollen geeignete Aufbereitungstechniken ermittelt sowie Möglichkeiten zur Zwischenspeicherung entwickelt werden. Diese integrative Herangehensweise ist neu im Wassermanagement; für die Umsetzung des Integrierten Wasserressourcen- Managements (IWRM) sind außer neuen Technologien eine regionale Infrastruktur und institutionelle Kapazitäten notwendig.

Lageplan des SMART-Untersuchungsgebietes zwischen See Genezareth im Norden und dem Toten Meer im Süden

Lageplan des SMART-Untersuchungsgebietes zwischen See Genezareth im Norden und dem Toten Meer im Süden
Lageplan des SMART-Untersuchungsgebietes zwischen See Genezareth im Norden und dem Toten Meer im Süden
 Bild vergrößernzoom

Regionale Charakteristik des Untersuchungsraumes

Typisch für die Region sind starke Kontraste in den klimatischen Bedingungen. Sie wechseln von mediterran (semiarid) an der Küste bis hin zu hocharid im Südosten. Im Einzugsgebiet des Jordan variieren die Niederschläge von 800 Millimeter pro Jahr in den nördlichen Bergregionen (ca. 1000 Meter über dem Meeresspiegel) bis zu weniger als 100 Millimeter pro Jahr im unteren Jordantal (250 bis 420 Meter unter dem Meeresspiegel). Letzteres liegt in einer bedeutenden Geosutur vergleichbar einem tiefen Graben, an der die arabische Platte nach Norden verschoben wird. Die Grabenflanken bestehen aus Karbonatgesteinen und Sandsteinen, die Grabenfüllung aus fluviatilen und marinen Lockergesteinen. Durch die ständig wachsende Bevölkerung, vor allem in den in Höhenlagen angesiedelten Großstädten (Jerusalem, Ramallah und Amman-Salt), fallen punktuell große Abwassermengen an, die in die Grundwasserleiter einsickern oder über tief eingeschnittene, meist trocken liegende Flussbetten – sogenannte Wadis – in Richtung Jordantal abströmen. Wirtschaftlich setzt das untere Jordantal auf die landwirtschaftliche, touristische aber auch industrielle Entwicklung. Man nutzt die hohen Temperaturen und die fruchtbaren Böden für eine ganzjährige Landwirtschaft und gestaltet die Region als „natürliches Gewächshaus“.

Forschung mit Anwendungsbezug

In der ersten Projektphase (2006 bis 2009) richteten die Forscher umfangreiche Infrastrukturen, zum Beispiel die „SMART-Wastewater Treatment and Reuse Site“ in Fuheis oder auch Umweltmonitoringsysteme (Klima, Abfluss, Grundwassermenge und -qualität) in mehreren Teileinzugsgebieten ein. Außerdem identifizierten sie für verschiedene Technologielinien weitere Standorte. Dort werden nun in Absprache mit den lokalen Ministerien, Organen der Entwicklungszusammenarbeit sowie den beteiligten Industriepartnern Pilotanlagen installiert.

In der aktuellen zweiten Förderphase sollen die erfolgreichen Aktivitäten der ersten Phase in Demonstrationsprojekten umgesetzt werden. Dabei wird vor allem auf einen starken Anwendungsbezug geachtet. Speziell in den Bereichen Abwasseraufbereitung, Membranverfahren, künstliche Grundwasseranreicherung und softwaregestützte Entscheidungshilfe hat die German Water Partnership bereits Interesse angemeldet; mehrere Mitglieder des Dachverbands der deutschen Wasserwirtschaft sind am SMART-Projekt beteiligt. Weiterhin fanden Gespräche mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) statt, die großes Potenzial für die dezentrale Abwasseraufbereitung in der Region sieht.

Zentrale Ergebnisse der Verbundforschung fanden Einzug in den nationalen Wasserplan Jordaniens („National Strategic Water Plan 2008–2022“); damit sind wesentliche Schritte zur Vorbereitung einer Systemlösung für eine dezentrale Wasserwirtschaft bereits politisch realisiert.

Links: Blick über das Jordantal mit Bewässerungskulturen auf der östlichen jordanischen Seite / Rechts: Information von Kindern in Schulen über die Nutzung von gereinigten Abwässern für die Bewässerung in der Landwirtschaft

Links: Blick über das Jordantal mit Bewässerungskulturen auf der östlichen jordanischen Seite / Rechts: Information von Kindern in Schulen über die Nutzung von gereinigten Abwässern für die Bewässerung in der Landwirtschaft
Links: Blick über das Jordantal mit Bewässerungskulturen auf der östlichen jordanischen Seite / Rechts: Information von Kindern in Schulen über die Nutzung von gereinigten Abwässern für die Bewässerung in der Landwirtschaft
 Bild vergrößernzoom

Strukturen und Kompetenz aufbauen

In der zweiten Phase werden die Wissenschaftler die Charakterisierung der verfügbaren Wasserressourcen und ihrer Gefährdungspotenziale fortsetzen und auf weitere Gebiete ausdehnen. Zentrale Frage ist, wie sich die Wasserqualität in einem geschlossenen Einzugsgebiet mittel- und langfristig entwickelt, wenn zunehmend Abwässer wiederverwendet werden. Das Forscherteam untersucht hier, wie hygienisch relevante Mikroorganismen beseitigt werden können und wie sich organische Spurenstoffe unter ariden bis semi-ariden Bedingungen anreichern beziehungsweise biologisch abbauen.

Alle Aktivitäten münden zunächst in IWRM-Szenarien für die Teileinzugsgebiete, in denen die unterschiedlichen Anpassungsvarianten an den demographischen, klimatischen und ökonomischen Wandel dargestellt und in Analysen verglichen werden. Abschließend werden gesicherte IWRM-Szenarien für das gesamte Projektgebiet unter Berücksichtigung der neuen Technologie- und Managementkonzepte zur Verfügung stehen.

Insgesamt nimmt der Aufbau lokaler Kapazitäten eine wichtige Rolle in SMART II ein. Sie sind entscheidend für die Realisierung eines Integrierten Wasserressourcen- Managements. Schon in der ersten Phase hatte sich gezeigt, dass an den speziell entwickelten Weiterbildungsprogrammen größtes Interesse besteht. Sie wurden insbesondere von den oberen Planungsbehörden (Palestinian Water Authority, Jordan Ministry of Water and Irrigation) unterstützt und erweisen sich als gute Möglichkeit, die Bewusstseinsbildung für den IWRM-Prozess und den Einsatz nachhaltiger Technologielinien zu fördern.

Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Institut für Angewandte Geowissenschaften

Prof. Dr. Heinz Hötzl
Adenauerring 20 b
76131 Karlsruhe
Tel.: 07 21/60 84 30 96
Fax: 07 21/60 62 79
E-Mail: heinz.hoetzl@kit.edu
Förderkennzeichen: BMBF-PTKA 02WM1079
Lesen Sie weiter:
Water as a resource
Schnellübersicht