1.2.01 Das Elbegebiet – Ein Forschungsmodell für die Flussbewirtschaftung der Zukunft
Das Flussgebiet der Elbe bietet Wissenschaftlern ökologischer Disziplinen ein äußerst spannendes Forschungsfeld. Während die Wasserqualität der Elbe bis vor einigen Jahren äußerst schlecht war, konnten die Auen des ehemaligen Grenzflusses die vielfältige Struktur behalten, die den meisten Flüssen vergleichbarer Größe durch Baumaßnahmen geraubt wurde. So haben der 1.091 Kilometer lange Strom und sein Einzugsgebiet das Potenzial, auch in Zukunft als naturnahe Flusslandschaft zu überleben. Das Elbe-Gebiet gilt daher als Modellregion, in der Experten Nutzungskonflikte erforschen und Lösungskonzepte erarbeiten.
Wegen ihrer Struktur und Geschichte ist die Elbe Gegenstand von vielerlei Forschungsaktivitäten unterschiedlichster wissenschaftlicher Disziplinen – ganz im Sinne der EU-Wasserrahmenrichtlinie . Denn diese verlangt ein Flussgebietsmanagement , das sich an Nachhaltigkeitsaspekten orientiert. Entwicklungskonzepte für große Flusslandschaften mit ihren vielfältigen Wechselwirkungen gab es zuvor – auch international – erst ansatzweise. Mittlerweile setzt sich die Erkenntnis durch, dass der Erhalt von Flusslandschaften eine ganzheitliche Betrachtung erfordert, die sich auf eine komplexe Bewertung der ökologischen und wirtschaftlichen Situation im Flusseinzugsgebiet stützen muss.
In diesem Sinne hat das BMBF von 1996 bis 2005 im „Forschungsverbund Elbe-Ökologie“ mit rund 20 Millionen Euro 28 wissenschaftliche Projekte gefördert. In den Einzelprojekten untersuchten Experten ökologische und ökonomische Zusammenhänge und entwickelten Lösungskonzepte für verschiedene Nutzungsansprüche der Landwirtschaft, des Naturschutzes, der Wasserwirtschaft und der Schifffahrt.
Naturräume statt Verwaltungseinheiten
Blick auf die Elbe und die Elbeauen (Quelle: Bundesanstalt für Gewässerkunde)
- Blick auf die Elbe und die Elbeauen (Quelle: Bundesanstalt für Gewässerkunde)
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Die Forscher sollten nicht nur wissenschaftliche Erkenntnisse sammeln, sondern auch Instrumente und Handlungsempfehlungen für Politiker und Planer erarbeiten. Entsprechend den Anforderungen der EU-Wasserrahmenrichtlinie wurden der Strom, seine Auen und das Einzugsgebiet dabei als funktionale Einheit betrachtet. Gerade die Auswirkungen der Elbeflut 2002 und der extremen Trockenheit 2003 haben auf drastische Weise deutlich gemacht, dass ökologische Phänomene nicht innerhalb von Verwaltungsgrenzen, sondern von Naturräumen zu betrachten sind.
Drei Forschungsschwerpunkte
Themenbereich „Ökologie der Fließgewässer“
Schlagworte wie „Schaffung von Retentionsräumen
durch Verlegung von Deichen“ und „Garantie von Mindestfahrwassertiefen
durch angepasste flussbauliche
Unterhaltungsmaßnahmen“ sind nach den Hochwassern
in aller Munde. Aber solche Maßnahmen haben Einfluss
auf die Wasserstände, wirken auf die Hydrodynamik
sowie Morphodynamik der Gewässer und beeinflussen
die Lebensbedingungen von Fischen und Kleinstlebewesen.
Besonders die kleinsten Organismen in der Elbe haben
für Stoffumsetzungen und damit für die Gewässergüte
eine große Bedeutung. Die Forscher gingen diesen Zusammenhängen
nach, indem sie die morphologischen,
hydraulischen und biozönotischen Wirkungsgeflechte
untersuchten. Im Mittelpunkt stand die Frage, welche Prozesse
die Zusammensetzung und die Dynamik der Lebensgemeinschaften
in der Elbe steuern. Antwort gaben die
Ergebnisse eingehender Felduntersuchungen und die
erarbeiteten Modelle. So entstand ein zeitgemäßer, umfassender
Überblick über die Erforschung der Wasserqualität,
der auch Entscheidungshilfen für die Planung wasserbaulicher
Maßnahmen beinhaltet.
Der Forschungsverbund Elbe-Ökologie
- Der Forschungsverbund Elbe-Ökologie
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Themenbereich „Ökologie der Auen“
Bauliche Eingriffe in Flüsse und Landnutzungsänderungen
in Auen haben ökologische Folgen. In der öffentlichen Diskussion
werden verstärkt die Ausweisung von Überschwemmungsgebieten
und die Renaturierung von Flussauen
gefordert. Doch es stellt sich die Frage, wie eine umweltgerechte
Auenentwicklung im Elbegebiet aussehen kann. Die
Konsequenzen für die betroffene Landwirtschaft, die Bevölkerung
sowie die Tier- und Pflanzenwelt müssen berücksichtigt
werden. Die Projekte dieses Themenbereichs zeigen
Handlungsempfehlungen für den Naturschutz auf und
formulieren Leitbilder für die ökologische Entwicklung der Auen, wobei auch wirtschaftliche Aspekte beachtet sind.
Dazu mussten die aktuellen Forschungsergebnisse zu
Steuerfaktoren, Bioindikation und Prognose der Lebensgemeinschaften
der Elbe und ihrer Auen zusammengefügt
werden. Parallel bestand ein wesentlicher Teil der
Arbeiten darin, Nutzen und Kosten von Eingriffen aufzuzeigen,
denn sie sind letztendlich entscheidend für politische
Entscheidungen. So haben die Forschungsergebnisse
beispielsweise auch wesentliche Grundlagen für das Planfeststellungsverfahren
zur Deichrückverlegung bei Lenzen
geliefert. Es ist bisher das bundesweit größte Vorhaben
dieser Art und mittlerweile umgesetzt.
Themenbereich „Landnutzung im Einzugsgebiet“
Diffuse Nährstoffeinträge aus der Landwirtschaft sind
heute einer der wesentlichen Belastungsfaktoren für die
Gewässerqualität der Elbe. Die Ursachen für diese Einträge
sind aufgrund der naturräumlichen Eigenschaften und
der Nutzungsstrukturen im Elbe-Einzugsgebiet regional
sehr unterschiedlich. In den Projekten dieses Themenbereichs
prüften die Wissenschaftler, wie die Gewässerqualität
der Elbe und damit auch der Nordsee durch eine veränderte
Landnutzung oder andere landwirtschaftliche
Verfahren verbessert werden kann. Mithilfe von Wasser- und
Stoffhaushaltsmodellen zeigten sie, welche Maßnahmen
ökologisch anzustreben und ökonomisch vertretbar
sind, um die Landnutzung und den Wasserhaushalt im
Elbegebiet zu steuern. Auf dieser Grundlage wurden Strategien
zur Minderung von Gewässerbelastungen entwickelt
und vorgeschlagen. Hervorzuheben ist hier beispielsweise
das Verfahren der konservierenden Bodenbearbeitung.
Dieses Bewirtschaftungssystem wirkt sich positiv auf
bodenphysikalische, hydrologische und biologische Parameter
aus, senkt den Bodenabtrag und verringert damit
gleichzeitig die Phosphateinträge in die Gewässer
Darstellung der Ergebnisse in unterschiedlichen Medien
Die Ergebnisse des Forschungsverbunds Elbe-Ökologie wurden in drei Medien für unterschiedliche Bedürfnisse aufbereitet:
- Das internetbasierte Elbe-Informations-System (ELISE) gibt Auskunft über die Elbe-Ökologie- Forschung und unterstützte die Koordination der Projektarbeiten.
- Die fünf Bände der Publikationsreihe „Konzepte für die nachhaltige Entwicklung einer Flusslandschaft“ fassen die Erkenntnisse projektübergreifend zusammen und stellen Konzepte für die Praxis vor (http://www.weissensee-verlag.de/verlagsprogramm/04_niw_flusslandschaft.htm).
- Das „Elbe-DSS “, ein Entscheidungs-Unterstützungs-System zum Flusseinzugsgebiets-Management, strukturiert das für das Elbe-Einzugsgebiet erarbeitete Fachwissen sowie verwendete Computermodelle und Daten in einem Grundgerüst. Solche Systeme können Behörden künftig bei der Bewirtschaftungsplanung helfen. Sie erlauben es, vorab die komplexe Wirkung einzelner Maßnahmen im Hinblick auf die zu erreichenden Ziele zu erkennen. Die Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) stellt den entwickelten Prototypen des Elbe-DSS per Internet frei zur Verfügung (http://elise.bafg.de/?3283).
Dr. Sebastian Kofalk
Mainzer Tor 1
56068 Koblenz
Tel.: 02 61/13 06-53 30
Fax: 02 61/13 06-53 33
E-Mail: kofalk@bafg.de
Internet: www.bafg.de, elise.bafg.de
Förderkennzeichen: 0339542A