1.2 Lebensadern erhalten – ganzheitliches und nachhaltiges Flussgebietsmanagement

Flüsse sind Lebensadern der Natur. Sie sammeln das Wasser der Kontinente und transportieren es in die Meere, sie gliedern die Landschaft und dienen vielen Tierarten als Lebensraum. Zugleich erfüllen sie eine wichtige wirtschaftliche Funktion als Verkehrswege, Energielieferanten und Trinkwasserquellen. Doch bei Hochwasser werden Flüsse zur Gefahr für Leben und Eigentum der Menschen. Noch nicht gelöst ist in vielen Regionen der Welt außerdem die Schadstoffproblematik. Diese Vielfalt von Aspekten und ihre Wechselwirkungen werden nur durch ein nachhaltiges Flussgebietsmanagement beherrschbar.
Der Begriff des Flussgebietsmanagements, abgeleitet aus der englischen Bezeichnung "river basin management", steht für eine an natürlichen Einzugsgebietsgrenzen (statt an Stadt-, Kreis- oder ähnlichen Verwaltungsgrenzen) ausgerichtete Wasserwirtschaft. Es hat somit einen räumlichen Handlungsrahmen, in dem die natürlichen Zusammenhänge des Wasserkreislaufs erkennbar werden und unmittelbar wirksam sind.
Neues Verständnis von Gewässerbewirtschaftung
Die Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, allgemein als Europäische Wasserrahmenrichtlinie (EG-WRRL) bekannt, ist am 22. Dezember 2000 in Kraft getreten. Sie trägt in starkem Maße den Gedanken des Flussgebietsmanagements in sich und verfolgt als Kernziel den Schutz der aquatischen Ökosysteme im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung der Umwelt. Im Gegensatz zur bisherigen Betrachtung der Gewässer, die bislang eher nutzungs- und maßnahmenbezogen sowie sektoral ausgerichtet war, steht mit der EG-WRRL nun eine übergreifende, integrale Betrachtung der Systeme Grundwasser und Oberflächengewässer (Fließgewässer, stehende Gewässer, Übergangsgewässer und Küstengewässer) im Mittelpunkt. Die Wasserwirtschaft orientiert sich damit künftig nicht mehr an den administrativen Grenzen, sondern an den Flusseinzugsgebieten. Dies öffnet den Weg zu einer ganzheitlichen Betrachtung der natürlichen Gewässersysteme und ihrer Nutzung von der Quelle bis zur Mündung. Über Staats- und Ländergrenzen hinweg sollen Gewässer durch ein koordiniertes Vorgehen schonend genutzt und geschützt werden.
Instrumente für ein nachhaltiges Flussgebietsmanagement
Diese Anforderungen machen das Management von Flusseinzugsgebieten zur komplexen Aufgabe für Wissenschaft und Praxis. Um in diesem neuen Feld Handlungsanleitungen zu entwickeln, unterstützt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Forschungsprojekte rund um das Flussgebietsmanagement. Neben der Erforschung der komplexen Wechselwirkungen zwischen Flüssen und ihren Einzugsgebieten stehen dabei auch Fragestellungen der Renaturierung und des Naturschutzes im Fokus der Wissenschaft. Schwerpunkte der vergangenen Jahre waren zum Beispiel die Elbe-Ökologie-Forschung (Projekt 1.2.01), das Flussgebietsmanagement (Projekt 1.2.02), das Risikomanagement extremer Hochwasserereignisse oder das integrierte Wasserressourcenmanagement. Die Sedimente der Fließgewässer wurden im Rahmen des BMBF-Verbundprojektes „Feinsedimentdynamik und Schadstoffmobilität in Fließgewässern“ (SEDYMO) (Projekt 1.2.03) betrachtet. Damit soll ein Beitrag zu ökologischen Unterhaltungsbaggerungen an Bundeswasserstraßen, zu einer nachhaltigen Bewirtschaftung kontaminierter Überflutungssedimente und zur Planung und Durchführung von Sedimentausräumungen zur Verbesserung der Gewässerstruktur und -ökologie geleistet werden. In einem gemeinsam vom BMBF und Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) geförderten Verbundprojekt wurden die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Wiedereinbürgerung des Störs (Projekt 1.2.04) geschaffen.
Auch auf europäischer Ebene werden im Rahmen des Forschungsprogramms der europäischen Union FuE- und Netzwerkprojekte zum Flussgebietsmanagement bzw. integriertes Wasserressourcenmanagement, IWRM, gefördert. Ein Beispiel hierfür ist das EU-Projekt „IWRM-Net“, in dem 21 Institutionen aus 14 Ländern vertreten sind, unter ihnen auch das BMBF mit seinen beiden Projektträgern Karlsruhe (PTKA) und Jülich (PTJ). Mit diesem Projekt wird die Ausbildung bzw. Stärkung eines europäischen Flussgebietsmanagements verfolgt. IWRM-Net bietet den beteiligten Ländern die Möglichkeit, ihre Standortgegebenheiten als auch ihre Erfahrungen auf europäischer Ebene auszutauschen, gemeinsame Projekte zu starten und ggf. sogar zukünftige Konzepte für eine gemeinsame Forschungs- und Entwicklungszusammenarbeit zu entwickeln.