1.1.05 Funnel-and-Gate – Mit einem neuartigen Reaktorkonzept erfolgreich gegen Schadstoffe
Von 1915 bis 1929 wurde in der Teerfabrik Lang in Offenbach Teer aufbereitet und weiterverarbeitet. Nach dem Abriss der meisten Gebäude im Jahre 1930 und verschiedenen Zwischennutzungen liegt das Gelände heute überwiegend brach. Boden und Grundwasser sind jedoch nach wie vor stark mit Teerölen und teerölverwandten Stoffen belastet. Gefragt ist also ein einfaches, wirtschaftlich tragbares und sicheres Sanierungsverfahren, das gleichzeitig die umliegenden Bürostandorte möglichst wenig beeinträchtigt. Mit einem neuartigen „Funnel-and-Gate-System“ mit drei eingebauten Bioreaktoren entwickelten Wissenschaftler des Forschungsverbunds RUBIN ein Verfahren, das diesen Anforderungen gerecht wird.
Noch heute sind die Folgen von 14 Jahren Teerproduktion am Standort Offenbach deutlich messbar: Die Kontamination mit Teeröl und teerölverwandten Stoffen reicht bis an die Basis des quartären, sandig-kiesigen Grundwasserleiters. Darunter stehen tertiäre Tone (Rupelton) an, die stauend wirken und ein tieferes Eindringen der Schadstoffe verhindern. An mehreren Messstellen zeigt sich diese Verunreinigung als 20 bis 80 Zentimeter mächtige Teerölphase an der Basis des quartären Grundwasserleiters. Polyzyklisch aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) sind dabei die dominierenden Schadstoffe; Analysen ergaben Gehalte von über 150 Milligramm pro Kilogramm Boden, stellenweise sogar bis hin zu mehreren Gramm. Im Grundwasser stellten die Forscher im Schadenszentrum BTEX - Gehalte von bis zu 30 Milligramm pro Liter fest.
Geringer Wartungs- und Steuerungsaufwand
Nach einer eingehenden Untersuchung des Standortes schätzten Experten die Kosten für eine konventionelle Sanierung mit Bodenaushub auf etwa 18 Millionen Euro. Damit lag es nahe, nach günstigeren Alternativen zu suchen. In einer Variantenstudie erwogen die Wissenschaftler, Teilbereiche zu sanieren oder aber das kontaminierte Erdreich mit einer Dichtwand und einer Oberflächenabdichtung zu umschließen. Als weitere Variante wurde ein Funnel-and-Gate-System mit Bioreaktor diskutiert. Sie sollte einfach und mit einem geringen Wartungs- und Steuerungsaufwand zu realisieren sein und die Nutzung des Grundstücks möglichst wenig beeinträchtigen. Die geschätzten Kosten waren mit 1,5 Millionen Euro verhältnismäßig gering. Das Problem: Ein solcher Reaktor war noch nie zuvor gebaut worden; die Machbarkeit dieses Vorschlags musste erst noch bewiesen werden. Den Weg von der ersten Idee bis hin zum inzwischen geführten Nachweis der Funktionsfähigkeit und Wirksamkeit ebnete eine Förderung des BMBF. Im Rahmen des Forschungsverbundes RUBIN (siehe Projekt 1.1.03) führte ein Team von Wissenschaftlern die erforderlichen Versuche (Labor und on-site), Modellierungen sowie den Bau und Probebetrieb des Reaktors im Pilotmaßstab durch. Die Zustimmung des Regierungspräsidiums Darmstadt, Abteilung Umwelt in Frankfurt, und die vom Land Hessen bereitgestellten Mittel waren weitere wesentliche Voraussetzungen für den Projekterfolg.
Planung, Bau und Betrieb
Das im Pilotmaßstab umgesetzte Konzept sieht einen stark gegliederten Reaktor vor: Er besteht aus einem Schrägklärer, um Eisen und andere Feststoffe aus dem Wasser zu entfernen, sowie drei in Reihe geschalteten Bioreaktoren und einer Aktivkohlestufe. Im Anstrom des Schrägklärers sowie vor allen drei Bioreaktoren wurde jeweils eine offene Wasserzone (Freiwasserzone) angeordnet, die der Verteilung des Grundwassers auf den gesamten Fließquerschnitt der Bioreaktoren dient. Darüber hinaus werden dem Grundwasser in den Freiwasserzonen an mehreren Stellen Sauerstoff (als H2O2) und Nährstoffe zugegeben, um den biologischen Schadstoffabbau zu stimulieren. Das Reaktorkonzept folgt damit der allgemeinen Entwicklung weg von passiven, schlecht kontrollierbaren Systemen hin zu solchen Systemen, die Eingriffe und eine Steuerung erlauben.
Der Bau des Funnel-and-Gate-Systems im Pilotmaßstab erfolgte von Oktober 2006 bis März 2007. Die jeweils 30 Meter langen Leitwände (Funnel) schließen sich westlich und östlich an den durchströmbaren Reaktionsbereich (Gate) an. Sie wurden als 550 Millimeter starke Wände im Mixed-in-Place-Verfahren (MIP) ausgeführt und binden mindestens einen Meter in den Rupelton ein. Die eigentlichen Reaktionsräume zwischen den Freiwasserzonen wurden mit einem Kies der Körnung zwei bis acht Millimeter aufgefüllt, der als Aufwuchskörper (Trägermaterial) für die Schadstoff-abbauenden Mikroorganismen dient.
Der Reaktor wird im Pilotbetrieb mit einer Durchflussrate von 230 bis 500 Litern pro Stunde betrieben, die allerdings nicht allein über das natürliche Grundwassergefälle erreicht werden kann. Für den nötigen Zustrom sorgt daher eine Pumpe. Diese aktive Betriebsweise gewährleistet neben einem konstanten Durchfluss weitestgehend konstante Dosiermengen und Abbaubedingungen, was gegenüber einem passiven Betrieb einen deutlich reduzierten Betriebs- und Überwachungsaufwand nach sich zieht. Außerdem ermöglicht die Steuerung der Durchflussrate jederzeit eine Anpassung an veränderte hydraulische Randbedingungen (z. B. Grundwasserentnahmen im Umfeld).
Längsschnitt des neuartigen Funnel-and-Gate-Systems
- Längsschnitt des neuartigen Funnel-and-Gate-Systems
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Um den aeroben und aerob-denitrifizierenden Abbau der Schadstoffe zu stimulieren, werden dem Wasser Sauerstoff und Nitrat zugegeben. O-Phosphat sorgt außerdem dafür, dass genügend Phosphor im Wasser vorhanden ist. Stickstoff als weiterer essenzieller Nährstoff steht den Mikroorganismen in Form des natürlich im Grundwasser vorkommenden Ammoniums zur Verfügung. Als Betriebschemikalien werden Wasserstoffperoxid-(H2O2)-Lösungen, Natriumnitrat und ein Gemisch aus Monokaliumphosphat (KH2PO4) und der Pufferlösung Na2HPO4 beigesetzt.
Die mikrobielle Besiedelung der vier Gate-Module wurde über die Dosierung der Zusatzstoffe gesteuert und über 800 Tage im gesamten Bioreaktor-System mit einem mikrobiologischen Monitoring-Programm verfolgt.
Wirksamkeit belegt
Im Schrägklärer wandelt sich durch H2O2-Zugabe das Eisen um und lagert sich als Schlamm durch Sedimentation ab. Außerdem wird ein Großteil der Schadstoffe bereits durch die aerobe Stimulierung im Schrägklärer abgebaut.Hier findet insbesondere eine Reduktion der PAK und BTEX-Aromaten (Benzol, Toluo, Ethylbenzol, Xylole) zu etwa 70 Prozent statt. Die anderen auf Teeröl zurückgehenden Schadstoffe (teerölbürtige Schadstoffe) wie NSO-Heterozyklen (NSO-HET) und die übrigen AKW werden um etwa die Hälfte reduziert. Im Bioreaktor 1 bauen sich durch die aerob-denitrifizierende Prozesse die übrigen Aromatischen Kohlenwasserstoffe (AKW) und die PAK 2-16 (Polyzyklischen Kohlenwasserstoffe) zu je etwa 40 Prozent ab.
Im September 2009 waren im Ablauf des Bioreaktors erstmalig keine teerölbürtigen Schadstoffe mehr nachweisbar. Das erprobte Funnel-and-Gate-System beseitigt die Schadstoffe aus dem Grundwasser ausschließlich durch einen aerob-denitrifizierenden Abbau. Andere mögliche Eliminationsprozesse wie Retardation oder Verflüchtigung spielen keine oder nur eine sehr untergeordnete Rolle.
Erweiterung des Systems
Aufgrund der positiven Erfahrungen mit dem Probereaktor prüfen die Wissenschaftler nun, inwieweit das System für die Behandlung des gesamten kontaminierten Abstroms geeignet ist. Dazu vergleichen sie zurzeit verschiedene Varianten mit einem oder zwei Gates sowie mit passiven und aktiven Komponenten.
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Funnel-and-Gate – Mit einem neuartigen Reaktorkonzept erfolgreich gegen Schadstoffe
Preisgünstigste Variante mit geringem Steuerungs- und Wartungsaufwand
Erstmaliger Einsatz dieser Technik